In der heutigen Arbeitswelt ist effektive Kommunikation essentiell für den Erfolg eines Teams und des gesamten Unternehmens. Missverständnisse, unklare Botschaften und die falsche Wahl des Kommunikationsmediums können zu Konflikten, Demotivation und im schlimmsten Fall sogar zu Kündigungen führen. Ein aktuelles Beispiel aus meinem Arbeitsalltag zeigt, wie wichtig McLuhans Theorie “Das Medium ist die Botschaft” und Watzlawicks Axiome der Kommunikation für die Analyse von Kommunikationssituationen sind und welche Handlungsempfehlungen sich daraus ableiten lassen.
1. Die Grundlagen erfolgreicher Kommunikation
1.1. Watzlawicks Axiome der Kommunikation
Paul Watzlawick, ein österreichischer Kommunikationswissenschaftler, hat fünf Axiome aufgestellt, die die menschliche Kommunikation erklären und ihre Komplexität verdeutlichen:
1.1.1. Axiom: Man kann nicht nicht kommunizieren
Watzlawick argumentiert, dass jedes Verhalten, ob verbal oder nonverbal, eine Botschaft darstellt und somit Kommunikation ist. Selbst Schweigen, Ignorieren oder Abwesenheit werden von anderen interpretiert und haben eine kommunikative Wirkung. Beispielsweise kommuniziert eine Person, die im Wartezimmer eines Arztes nur auf den Boden starrt, nonverbal, dass sie keinen Kontakt möchte.
1.1.2. Axiom: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt
Der Inhaltsaspekt vermittelt die Information, während der Beziehungsaspekt zeigt, wie die Beziehung zwischen den Kommunikationspartnern vom Empfänger aufgefasst wird. Die Beziehungsebene bestimmt dabei, wie der Inhalt interpretiert wird. Beispielsweise kann die Frage “Sie haben aber eine schöne Perlenkette. Ist die echt?” je nach Tonfall und Mimik als Kompliment oder als unhöfliche Bemerkung verstanden werden.
1.1.3. Axiom: Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung
Kommunikation verläuft kreisförmig, jeder Reiz ist zugleich Kommunikation und löst eine Reaktion aus. Die Interpunktion, also die Art und Weise, wie die Kommunikationspartner die Abfolge von Ereignissen interpretieren, bestimmt die Beziehung. Ein Beispiel ist ein Paar, bei dem die Frau nörgelt, weil sich der Mann zurückzieht, und der Mann sich zurückzieht, weil die Frau nörgelt.
1.1.4. Axiom: Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten
Watzlawick unterscheidet zwischen digitaler (verbaler) und analoger (nonverbaler) Kommunikation. Die digitale Kommunikation verwendet Worte und Sätze, um Informationen zu vermitteln. Die analoge Kommunikation umfasst nonverbale Signale wie Mimik, Gestik und Tonfall. Im Idealfall sollten sich beide Kommunikationsformen ergänzen und nicht widersprechen.
1.1.5. Axiom: Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär
Symmetrische Kommunikation findet auf Augenhöhe statt, während komplementäre Kommunikation auf Unterschieden in Macht und Status basiert. In symmetrischen Beziehungen streben die Partner nach Gleichheit, in komplementären Beziehungen ergänzen sie sich in ihren Unterschieden.
1.2. McLuhans Theorie “Das Medium ist die Botschaft”
Der kanadische Kommunikationswissenschaftler Marshall McLuhan prägte in den 1960er Jahren den berühmten Satz “The medium is the message”. Damit wollte er verdeutlichen, dass nicht nur der Inhalt einer Botschaft, sondern auch das Medium, über das sie vermittelt wird, die Wirkung und Interpretation der Botschaft maßgeblich beeinflusst. McLuhan argumentierte, dass jedes Medium – sei es Sprache, Schrift, Radio, Fernsehen oder das Internet – spezifische Eigenschaften und Auswirkungen auf die menschliche Wahrnehmung und das soziale Umfeld hat.
Jedes Medium hat nach McLuhan vier grundlegende Auswirkungen, die er als “Gesetze der Medien” bezeichnet:
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Intensivierung: Jedes Medium verstärkt oder intensiviert einen bestimmten Aspekt der menschlichen Erfahrung oder der Welt. Das Auto beispielsweise verstärkt unsere Mobilität und unser Bedürfnis nach Geschwindigkeit.
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Veraltenlassen: Jedes Medium macht etwas anderes überflüssig oder obsolet. Das Auto hat beispielsweise die Kutsche und das Pferd als Transportmittel verdrängt.
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Wiedergewinnung: Jedes Medium holt etwas aus der Vergangenheit zurück. Das Auto beispielsweise hat die Sehnsucht nach individueller Freiheit und Abenteuer wiederbelebt, die in früheren Zeiten mit dem Pferd verbunden war.
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Umkehrung: Jedes Medium schlägt bei Übertreibung in sein Gegenteil um. Das Auto, das ursprünglich die individuelle Mobilität fördern sollte, führt bei massenhafter Nutzung zu Staus und Umweltverschmutzung.
Ein einfaches Beispiel: Eine Liebeserklärung per handgeschriebenem Brief wirkt anders als eine kurze Textnachricht auf dem Smartphone. Der Brief vermittelt mehr Mühe, Romantik und Wertschätzung, während die Textnachricht eher flüchtig und weniger emotional wirkt.
Die Theorie von McLuhan lässt sich auch auf die zwischenmenschliche Kommunikation anwenden, selbst wenn kein “klassisches” Medium wie ein Buch oder ein Telefon verwendet wird. Auch die Art des Gesprächs, die Umgebung und die Beziehung der Gesprächspartner zueinander beeinflussen die Wahrnehmung der Botschaft. So kann beispielsweise die gleiche Aussage in einem freundlichen Tonfall völlig anders wirken als in einem aggressiven Tonfall.
Ein weiteres Beispiel, wie die Interpretation eines Werkes durch die Übersetzung in ein anderes Medium beeinflusst werden kann, ist die Verfilmung eines Buches. In einem Buch kann der Leser sich die Charaktere und die Umgebung detailliert vorstellen, während in einem Film die Interpretation durch die Schauspieler, die Kulissen und die Kameraführung vorgegeben wird. Dadurch kann die Botschaft des Films von der des Buches abweichen, obwohl der Inhalt derselbe ist.
2. Kommunikation in der Praxis: Gelungene Beispiele
Bevor wir zur Analyse der problematischen Situation in meinem Team kommen, lohnt es sich, einen Blick auf positive Beispiele zu werfen. Diese zeigen, wie die theoretischen Grundlagen in der Praxis erfolgreich umgesetzt werden können:
2.1. Das schwierige Feedback-Gespräch
In einem anderen Team beobachtete ich kürzlich, wie eine Führungskraft kritisches Feedback vorbildlich kommunizierte. Statt das Thema in einem Teammeeting oder per E-Mail anzusprechen, wählte sie bewusst ein persönliches Vier-Augen-Gespräch in einem neutralen Raum. Sie begann mit einer Würdigung der Stärken des Mitarbeiters, sprach dann konkrete Verhaltensbeispiele an und entwickelte gemeinsam mit ihm Lösungsansätze. Das Medium (persönliches Gespräch) und die Art der Kommunikation (wertschätzend und lösungsorientiert) führten zu einer konstruktiven Atmosphäre und echten Verhaltensänderungen.
2.2. Die erfolgreiche Konfliktlösung
Ein positives Beispiel erlebte ich bei der Lösung eines Konflikts zwischen zwei Teams. Wir wählten einen mehrstufigen Ansatz: Zunächst führten wir Einzelgespräche mit beiden Parteien, um deren Sichtweisen und Bedürfnisse zu verstehen. Dann organisierten wir einen moderierten Workshop in einem neutralen Meetingraum außerhalb des Büros. Durch den Einsatz verschiedener Kommunikationstechniken wie aktivem Zuhören, Ich-Botschaften und visualisierter Problemanalyse gelang es, die verhärteten Fronten aufzuweichen. Am Ende des Workshops hatten beide Teams gemeinsam konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit entwickelt. Die Wahl des Settings und die professionelle Moderation ermöglichten einen offenen Dialog auf Augenhöhe und führten zu nachhaltigen Verbesserungen in der Zusammenarbeit.
3. Analyse der Situation im Teammeeting
In meinem Team kam es kürzlich zu einer unangenehmen Situation, die gut mit McLuhans Theorie und Watzlawicks Axiomen analysiert werden kann. Während eines Teammeetings, das eigentlich der gemeinsamen Zukunftsplanung dienen sollte, wurde ein Teammitglied “rausbeordert” und ihm in einem separaten Gespräch mitgeteilt, dass die Zusammenarbeit beendet ist. Gleichzeitig wurde dem verbliebenen Team eine harsche Kritik entgegengebracht.
3.1. Analyse mit Watzlawicks Axiomen
3.1.1. Axiom: Man kann nicht nicht kommunizieren
Selbst wenn die Beendigung der Zusammenarbeit in einem Einzelgespräch stattfand, kommunizierte das Herausbeordern des Teammitglieds aus dem Meeting nonverbal "Du gehörst nicht mehr dazu". Das Schweigen der Chefs über die Gründe der Beendigung der Zusammenarbeit erzeugt zusätzliche Unsicherheit und Spekulationen im Team. Dieses nonverbale Verhalten der Chefs (“Rausbeordern”) wurde vom Team unweigerlich als Botschaft interpretiert, auch wenn dies möglicherweise nicht die Intention der Chefs war.
3.1.2. Axiom: Inhalts- und Beziehungsaspekt
Der Inhalt der Botschaft an das Team war "Ihr seid schlecht", aber die Beziehungsebene wurde durch die Art der Übermittlung – öffentlich, vorwurfsvoll und ohne Dialogmöglichkeit – negativ beeinflusst. Dies führte dazu, dass die Botschaft als Angriff und Demütigung empfunden wurde. Die negative Beziehungsebene ("Wir misstrauen euch und sind unzufrieden") überschattete den Inhaltsaspekt der Botschaft und verhinderte eine konstruktive Auseinandersetzung mit der Kritik.
3.1.3. Axiom: Ursache und Wirkung
Die Chefs interpunktieren die Situation möglicherweise so, dass die schlechte Leistung des Teams die Beendigung der Zusammenarbeit des Teammitglieds und die Kritik rechtfertigt. Das Team hingegen sieht möglicherweise die Beendigung der Zusammenarbeit und die Kritik als Ursache für Demotivation und schlechte Stimmung. Diese unterschiedliche Interpunktion führt zu einem Teufelskreis der Missverständnisse. Die Kommunikationssituation wird so zu einer “self-fulfilling prophecy”: Die Chefs sehen ihre negative Einschätzung des Teams durch dessen Reaktion bestätigt, während das Team sich durch die Kritik und die Beendigung der Zusammenarbeit in seiner negativen Haltung bestärkt fühlt.
3.1.4. Axiom: Analoge und digitale Modalitäten
Die digitale Botschaft (“Ihr seid schlecht”) wurde durch die analoge Modalität (Tonfall, Mimik, Gestik) verstärkt. der halbstündige Monolog und eine abweisende Körpersprache verstärken die negative Wirkung der Kritik. Stellen wir uns vor, die Chefs hätten die gleiche Kritik in einem ruhigen und sachlichen Tonfall geäußert, während sie Blickkontakt zu den Teammitgliedern halten und ihnen aktiv zuhören. Die Botschaft wäre dann wahrscheinlich weniger bedrohlich und eher als konstruktives Feedback wahrgenommen worden.
3.1.5. Axiom: Symmetrische und komplementäre Kommunikation
Die Kommunikation im Teammeeting war komplementär. Die Chefs nutzten ihre Machtposition, um Kritik zu üben und Anweisungen zu geben, ohne Raum für Dialog oder Widerspruch zu lassen. Diese asymmetrische Kommunikation verstärkte das Gefühl der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins im Team.
3.2. Analyse mit McLuhans Theorie: “Das Medium ist die Botschaft”
Die Wahl des Teammeetings als Rahmen für das Beenden der Zusammenarbeit eines Teammitglieds und die Kritik verstärkt die negative Wirkung. Das Teammeeting, das eigentlich der Zusammenarbeit und dem gemeinsamen Ziel dienen sollte, wird zum Instrument der Machtdemonstration und Einschüchterung. Das Medium “Teammeeting” transportiert in diesem Fall die Botschaft “Wir haben die Macht und ihr müsst euch fügen”.
3.2.1. Gesetze der Medien
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Intensivierung: Das Teammeeting verstärkt die öffentliche Bloßstellung des gefeuerten Mitarbeiters und die Demütigung des Teams. Die gleichzeitige Anwesenheit aller Teammitglieder verstärkt die emotionale Wirkung der Beendigung der Zusammenarbeit und der Kritik.
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Veraltenlassen: Die harsche Kritik im Teammeeting lässt die bisherige Kommunikationskultur des Teams veralten und schafft eine Atmosphäre des Misstrauens. Offene Kommunikation und vertrauensvolle Zusammenarbeit werden durch dieses Erlebnis “veralten” und durch Angst und Unsicherheit ersetzt.
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Wiedergewinnung: Das Meeting ruft möglicherweise Erinnerungen an frühere negative Erfahrungen mit hierarchischer und autoritärer Kommunikation hervor. Die Situation kann dazu führen, dass die Teammitglieder sich in ihre Rolle als “untergeordnete” Mitarbeiter zurückziehen und jegliche Initiative und Eigenverantwortung vermeiden.
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Umkehrung: Das Teammeeting, das eigentlich der Teambildung dienen sollte, führt zu Konflikten und Zerrüttung des Teams. Anstatt die Zusammenarbeit zu fördern, führt das Meeting zu Misstrauen, Angst und Konflikten innerhalb des Teams.
4. Schlussfolgerungen und erweiterte Handlungsempfehlungen
Die Analyse der Situation mit McLuhans und Watzlawicks Theorien zeigt, dass die Wahl des Kommunikationsmediums und die Berücksichtigung aller Ebenen der Kommunikation entscheidend für die Wirkung der Botschaft sind. In diesem Fall haben die Chefs meiner Meinung nach die falsche Wahl getroffen. Das Teammeeting als Rahmen für die Beendigung der Zusammenarbeit und die Kritik war verletzend, demotivierend und hat die Unternehmenskultur negativ beeinflusst.
4.1. Trennung von Individual- und Teamkommunikation
Beendigungen der Zusammenarbeit sollten ausschließlich in einem geschützten, persönlichen Rahmen stattfinden. Ein ruhiges Einzelgespräch in einem separaten Raum, in dem der betroffene Mitarbeiter die Möglichkeit hat, seine Sichtweise darzulegen und Fragen zu stellen, wäre in diesem Fall angemessener gewesen. Dabei ist es wichtig:
- Einen neutralen Ort zu wählen
- Ausreichend Zeit einzuplanen
- Eine würdevolle Atmosphäre zu schaffen
- Dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, Fragen zu stellen und seine Sicht darzulegen
- Konkrete Unterstützung für den Übergang anzubieten
4.2. Konstruktive Teamkritik
Wenn grundlegende Kritik am Team notwendig ist, sollte diese in einem separaten Meeting kommuniziert werden, das genügend Zeit und Raum für Dialog und gemeinsame Lösungsfindung bietet. Dabei ist es wichtig:
- Konkrete Beispiele und Verbesserungsvorschläge zu nennen
- Raum für Dialog und gemeinsame Lösungsfindung zu bieten
- Die Stärken des Teams zu würdigen
- Klare nächste Schritte zu definieren
4.3. Transparente Kommunikationskultur entwickeln
Langfristig sollten Unternehmen eine Kommunikationskultur aufbauen, die sich auszeichnet durch:
- Regelmäßiges, konstruktives Feedback in beide Richtungen
- Offene Dialogformate für Team-Anliegen
- Klare Kommunikationswege für kritische Themen
- Wertschätzenden Umgang auf allen Ebenen
- Bewusstsein für die Wirkung verschiedener Kommunikationsmedien
5. Fazit: Die Bedeutung bewusster Kommunikation
McLuhans Theorie “Das Medium ist die Botschaft” und Watzlawicks Axiome der Kommunikation sind wertvolle Werkzeuge, um Kommunikationssituationen zu analysieren und zu verstehen. Die Wahl des richtigen Mediums und die Berücksichtigung aller Ebenen der Kommunikation sind entscheidend für die Wirkung der Botschaft und den Erfolg der Kommunikation. In meinem Beispiel zeigt sich, dass die falsche Wahl des Mediums und unklare Kommunikation zu negativen Emotionen, Demotivation und Konflikten führen kann.
Indem wir uns der Bedeutung des Mediums und der verschiedenen Kommunikationskanäle bewusst sind und diese gezielt einsetzen, können wir Missverständnisse vermeiden und eine effektive und respektvolle Kommunikation im Team und im Unternehmen fördern. McLuhans und Watzlawicks Theorien helfen uns dabei, die Auswirkungen unserer Kommunikationsentscheidungen besser zu verstehen und die richtige Wahl für jede Situation zu treffen.